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Heddesheimblog macht "Pause" - Einzelfall oder Symptom für freie Online-Macher?

17.03.2014

Zeichen einer Malaise in Teilen der Medienszene

Screenshot der Startseite des Heddesheimblogs, auf dem die Pause des Blogs angekündigt wird.

Das "Heddesheimblog", ein in der deutschen Onlinemedienszene bekanntes Lokalblog in Süddeutschland, geht in eine unbestimmte "Pause". Das teilte der Herausgeber des Blogs Hardy Prothmann am 16. März auf der Website mit. Als Gründe nennt Prothmann die finanziell unbefriedigende Situation. So würden Gerichtskosten ein Großteil der Erlöse verbrauchen. Ganz vorbei soll es aber mit dem Blog noch nicht sein. Prothmann wirbt jetzt - während die Seite nicht mehr aktualisiert werden soll - für "freiwillige Abonnements". Nach seiner Kalkulation müssen dabei monatlich mindestens 3.000 Euro zusammenkommen. Auch wenn es allerdings nur 1.000 Euro wären, könnte der Blog mit reduziertem Inhalt weiter betrieben werden. Derzeit erhält Prothmann über den "Freundeskreis" des Blogs von Bürgern aus Heddesheim im ganzen Jahr lediglich 250 Euro.

Die Ankündigung von Prothmann ist von einigen Medienbeobachtern als Übergang zu einer "Paywall" interpretiert worden. Davon ist bei ihm bisher allerdings noch nicht die Rede. Vielmehr scheint er weiterhin auf einen offenen Blog zu setzen, der von einem Unterstützerkreis finanziert wird.

Malaise in Teilen der Online-Szene


Die Ankündigung von Prothmann reiht sich in einer Reihe von skeptischen bis negativen Veröffentlichungen über die Aussichten von Online-Medien ein, die in den letzten Wochen erschienen sind.

"Warum man mit Online-Journalismus kein Geld verdient" ist beispielsweise die Überschrift eines Blogbeitrags vom 27. Februar 2014. Dort erklärte Jens Rehländer, der ehemalige Redaktionsleiter von Geo.de, dass Leser nicht für Inhalte zahlen wollten und die Online-Medien es gleichzeitig nicht schafften, den Diskurs zu prägen. In Wirklichkeit dominierten die Alt- bzw. Printmedien die Öffentlichkeit und die Finanzierung des Journalismus.

In die gleiche Kerbe hieb auch Altblogger "Don Alphonso" am 11. März 2014: "Die deutschen Blogs sind so ziemlich kaputt aus dem einfachen Grund, weil es jenseits von vier hochkorrupten Sektoren - Dreck aus dem Netz, Mode, Reisen und Autos - keinerlei auch nur ansatzweise funktionierenden Geschäftsmodelle gibt", schrieb er. Er sehe keinen Entwicklungsschub, die Szene dümpele allenfalls vor sich hin. Ganz neu scheint ihm die Erkenntnis allerdings nicht zu sein, denn sein Blog trägt seit Jahren den Untertitel "Rebellen ohne Markt".

Natürlich unterscheidet sich Prothmann von diesen negativen Einschätzungen dadurch, dass er im "Freundeskreis" noch einen Rettungsanker sieht. Gleichzeitig zeigt aber der Griff zur "Pause" schon, dass die Situation bei seinem Blog recht grenzwertig scheint. Denn normalerweise wird das Produkt, für das geworben wird, nicht genau in der Werbephase eingestellt.

In der deutschen Onlinemedien-Szene, die klein, übersichtlich und daher in mancher Hinsicht auch von vielerlei Rücksichtnahmen geprägt ist, wurde die Ankündigung von Prothmann, soweit zu sehen, bisher eher mit Atemanhalten registriert. Auf einen kurzen, ironisch gemeinten Tweet "Geld her oder Blog-Dauerpause! Heddesheimblog erpresst jetzt seine Leser", reagierten sowohl Prothmann als auch einige andere Onliner daher recht dünnhäutig. Von einer "steilen These" sprach Prothmann, wo es gar keine These gab, sondern eigentlich nur ein Augenzwinkern. Denn niemand würde wohl ernsthaft glauben, dass Prothmanns Warten auf einen ausreichenden Freundeskreis eine regelrechte Erpressung darstellen würde.

Andere waren da schon deutlicher. "Das Heddesheimblog ist krachend gescheitert. Eine merkwürdige Erklärung ohne jegliche Selbstkritik", twitterte beispielsweise der Jurastudent und freie Journalist Philipp Sümmermann zum Beitrag von Prothmann. Er wird sich damit nicht beliebt gemacht haben.

Andere begrüßten die Entscheidung als begrüßenswerten Schritt zur Paywall, zu betriebswirtschaftlicher Denkweise. Obwohl von Paywall bisher bei Prothmann noch gar nicht die Rede war. Hier scheint der Wunsch Vater des Gedankens zu sein: Finanzierbarkeit muss Paywall heißen, scheint die Philosophie. Dabei müsste jeder, der Prothmann über Jahre verfolgt hat, eigentlich wissen, dass seine Kreise bisher nichts von Paywalls hielten.

Exemplarisch für die Zukunft freier Online-Macher?

Die Frage stellt sich, ob "Heddesheim" als Symbol für die fehlenden Aussichten von Online-Medien taugt. Die Antwort lautet - in aller Kürze - eher nicht.

Es gibt in Deutschland eine ganze Reihe von erfolgreichen Onlineprojekten. Beispielsweise läuft seit Jahren die Onlinezeitung altona.info. Sie ist in Hamburg-Altona anerkannt, hat zahlende Werbekunden und ist damit auch ohne Paywall zugänglich. AUch hier gibt es die Möglichkeit, die Lokalzeitung durch Spenden zu finanzieren, doch das Gros der Einnahmen wird durch Werbung erlöst.

Auch in Fulda gibt es mit osthessennews.tv ein erfolgreiches regionales Onlineportal, das vom freien Journalisten Michael Angelstein seit Jahren erfolgreich betrieben wird. Das Angebot hat zahlreiche Mitarbeiter und finanziert sich praktisch ausschließlich über Werbung.

Nicht nur regionale News, sondern auch Fachportale können online funktionieren. Seit Jahren gibt es das Online-Nachrichtenmagazin versicherungsjournal.de, die Gründung eines freien Versicherungsjournalisten. Auch hier sind die wesentlichen Informationsangebote für jedermann zugänglich. Das Angebot wird durch Werbung finanziert und hat zahlreiche Mitarbeiter.

Auf Abonnenten und Paywall setzt dagegen der freie Journalist Knut Maria Siebrasse mit seinem Branchenmagazin "SHK-Tacheles". Thematisch geht es um die auf den ersten Blick recht trocken scheinende Thematik Sanitär, Heizung und Klimatechnik. Doch der Branchendienst arbeitet die Branche mit journalistischem Anspruch auf und findet daher zahlreiche interessierte Abonnenten.

Die Aufzählung erfolgreicher Projekte ist hier nur beispielhaft. Viele erfolgreiche Onlinegründer meiden dabei die Öffentlichkeit wie die Pest, denn Nachahmer im gleichen Themengebiet gibt es sofort, ist nur einmal das Geschäftsmodell erläutert. Auch wenn es dem DJV dankenswerterweise bereits gelungen ist, mit den Machern der oben genannten Onlineseiten Webinare durchzuführen, wo diese ihr Geschäft erläutert haben, gibt es auch einige, die das - aus gutem Grund - ablehnen. So hat sich beispielsweise der Betreiber eines recht gut laufenden Sportblogs auch über Jahre nicht erweichen lassen, sein Angebot nach Außen zu präsentieren. Vermutlich nicht ganz zu Unrecht.

Keine Frage also, es gibt erfolgreiche Onlineprojekte. Woran die Schwierigkeiten speziell beim Heddesheimblog liegen, mag daher in der nächsten Zeit noch untersucht werden. Denn es spricht einiges dafür, dass es kein generelles Problem für Lokalblogs gibt, sondern im konkreten Fall ganz spezifische Probleme der Grund für den mangelnden wirtschaftlichen Erfolg waren. Eine Rolle mag vielleicht gespielt haben, dass das Heddesheimblog einen mitunter sehr rauen Ton und Ansatz verfochten zu haben scheint, der dann neben hohen Gerichtskosten auch dafür gesorgt haben mag, dass der eine oder andere mögliche Werbekunde Abstand nahm. Das aber kann nur eine Vermutung und vermutlich nicht der einzige Grund sein.

Vielleicht löst sich das Problem aber auch, wie beabsichtigt, durch Gewinnung von Unterstützern - wie bereits gesagt, erscheint es  aber als problematisch, genau in einer Pause dafür zu werben. Denn eine  umfangreiche Werbeaktion muss auch Leute ansprechen, die noch gar nicht  zu den Nutzern/Lesern gehören. Doch im Status der Pause mag dem einen  oder anderen der Verdacht kommen, dass der Blog ohnehin nicht mehr startet.

Journalistische Projekte erfolgreich starten - online und anderswo


Für Existenzgründer im (Online-)Journalismus gibt es viele Anstöße. Im DJV-Handbuch für Freie finden sich zahlreiche Ansätze erläutert (mit einem eigenen Kapitel für Onlinejournalisten), darüber hinaus zahlreiche, auch nachträglich abrufbare Onlinekurse (die so genannten Webinare), Seminare und Tagungen. Aktuell beispielsweise der "Freientag digital", der am 29. März in Hagen stattfindet. Darüber hinaus bietet die jährliche Tagung "Besser online" viel Inspiration für Onlinejournalisten, die online abrufbaren Dokumentationen sind eine Schatzgrube für Gründer.

Dabei bleibt die Finanzierung des Journalismus immer ein Thema. Der DJV hat dazu auf Anregung der Freien im DJV eine eigene Arbeitsgruppe auf Bundesebene eingerichtet, in Wien findet diese Woche eine Tagung der Europäischen Journalistenföderation statt, bei der Journalisten aus den europäischen Journalistenverbänden über Perspektiven diskutieren. Es tut sich also was, in jeder Hinsicht.



Michael Hirschler, hir@djv.de



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