Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

News für Freie

Europa

Mit Unternehmerjournalismus gegen Krisenstimmung

24.03.2014

Service, Service, Service - aber auch mal an das eigene Engagement denken. Journalistenverbände debattierten in Wien.

Eine Teilnehmerin der Tagung zeigt eine Präsentation mit einer Seite des Honorarkalkulators

So einfach kann Honorarkalkulation sein: Präsentation des Schwedischen Journalistenverbandes

In der gegenwärtigen europaweiten Krise der Medien müssen Journalisten  mehr auf sich selbst setzen und zu Unternehmern werden. Der unternehmende Journalismus, auf Englisch sowie auch Denglisch "Entrepreneurial Journalism" genannt, eröffnet Journalisten neue Perspektiven in einer ansonsten von Depression und Sparmaßnahmen geprägten Medienlandschaft. Doch der unternehmende Journalismus verlangt von Journalisten auch neue Denkweisen.

Über diese und andere Thesen zur Finanzierung des Journalismus diskutierten in Wien am 20./21. März 2014 über 50 Delegierte aus ganz Europa. Organisiert wurde die Konferenz von der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF), in der die europäischen Journalistengewerkschaften und -verbände organisiert sind.

Neue Rolle als Unternehmer

Wer sein eigenes Geschäftsmodell in den Medien aufzieht, muss sein Publikum sehr genau kennen lernen, machte Jane B. Singer (@janebsinger) von der City-University London deutlich. Anders als angestellte Journalisten müssen Unternehmerjournalisten ihre Zielgruppe stets im Blick haben, den Nutzwert von Informationen abschätzen und dabei die Erlössituation des eigenen Geschäfts im Blick behalten. Die Anforderungen an diese Selbständigen sind insgesamt recht anspruchsvoll, machte Singer deutlich.

Datenbank für Geschäftsmodelle

Aus der Tretmühle einer ohnehin kollabierenden Angestelltenrealität in die Selbständigkeit hat sich der britische Journalist Tim Dawson (@newmodeljourno) bewegt. Er hat dabei inzwischen über 100 Geschäftsmodelle im Journalismus in einer Datenbank zusammengestellt, die unter www.newmodeljournalism.com abgerufen werden können. Wesentlich für den Erfolg einer Gründung ist nach seiner Auffassung dabei, dass man eine bestimmte Nische besetzt und damit eine eigene Zielgruppe erreicht.

Nicht auf Google & Co. warten

In wenigen Jahren in der Medienwirtschaft auf einen Umsatz von 400.000 Euro im Jahr zu kommen, ist sehr wohl möglich, unterstrich Gianluca Schinaia vom italienischen Medien-Startup FpS Media. Rund zehn feste Mitarbeiter und noch zahlreiche Zuarbeiter werden von seiner Firma beschäftigt, deren Angebotspalette  zahlreiche Features von der Produktion von Websites über Filme bis hin zu Vortragstätigkeiten in Bildungseinrichtungen bietet. Journalisten sollten heute keinesfalls einfach nur auf Aufträge von Medien warten, sondern eigene Angebote entwickeln. Völlig unverständlich findet er dabei, wenn Journalisten im heutigen Medienwandel passiv zuschauen. Wie könne es sein, dass Personen wie Larry Page den Journalismus neu erfinden könnten, fragt Schinaia. Er bietet interessierten Journalisten und Medienmachern aus ganz Europa an, zusammen mit seiner Firma Medienangebote zu erarbeiten, die einen speziellen journalistischen Fokus haben. Dabei denkt er beispielsweise an die Entwicklung journalismusspezifischer Apps.

Gewerkschaften weiten Service aus

Die Gewerkschaften müssen sich den Herausforderungen für ihre Mitglieder stellen, konstatierte Martine Simonis von der belgischen Journalistengewerkschaft AJP. Ihre Organisation plant derzeit den Launch eines neuen Service-Angebots, das von der Vermarktung journalistischer Inhalte über Beratungsdienstleistungen bis hin zum Coaching reichen soll.

Innovation kommt von Außen

Neugründungen mit innovativen Geschäftsmodellen sind vor allem in der digitalen Medienwirtschaft zu finden, konstatierte Luis Palacio Llanos, Redakteur des spanischen Pressejahrbuchs. Dabei handele es sich bei den Akteuren meistens um Personen, die nicht in der bisherigen Medienwirtschaft investiert hatten.

Weiterbildung setzt auf Digitales

Weiterbildungseinrichtungen wie die von der niederländischen Journalistengewerkschaft betriebene NVJ Akademie setzen stark auf die Entwicklung digitaler Medienkompetenz, unterstrich deren Managerin Yvonne Dankfort.

Verleger fordern Leistungsschutzrecht

Die Entwicklung erfolgreicher digitaler Geschäftsmodelle sei schwierig, weil große Firmen wie Google, Facebook oder Twitter das Nachrichtengeschäft an sich gerissen hätten, weil sie als Aggregatoren fungieren, ohne für die Nutzung der Nachrichten zahlen zu müssen, kritisierte Gerald Grünberger vom österreichischen Zeitungsverlegerverband. Einer Firma wie Google sei kaum zu begegnen, so beschäftige sie allein in Brüssel rund 45 Lobbyisten. Insgesamt sei zu kritisieren, dass amerikanische Firmen glaubten, das in Europa geltende Recht einfach ignorieren zu können. Ein Leistungsschutzrecht für Verlage sei daher auch in Österreich erforderlich.

Investitionen erforderlich


Positionen, die bei zwei Teilnehmern auf Kritik stießen. Es sei fragwürdig, wenn Verleger als erstes mit dem Finger auf amerikanische Firmen zeigten. Die Verleger würden selbst seit langer Zeit nicht ernsthaft in digitale Medien investieren, sondern überließen das Geschäft US-Firmen. Daher könnten sie sich auch nicht ernsthaft beschweren. Die Forderung nach Verboten bzw. Erhebung von Abgaben gegenüber US-Angeboten sei wenig überzeugend, wenn selbst keine eigenen Investitionen erfolgten.  Im Angesicht der Medienkrise und von Stagnation sei massiver finanzieller Einsatz erforderlich.

Geld von Google kann nicht schaden


Martin Simonis von der belgischen Journalistengewerkschaft meinte demgegenüber, dass Aktionen gegenüber Google absolut Sinn machten. Ihr Verband sei zusammen mit den Verlegern gegen die Online-Nutzung von Inhalten durch Google vorgegangen. Sie seien vor den Gerichten erfolgreich gewesen und es sei zu Zahlungen von Google an Journalisten und Verleger gekommen. Auch wenn es nicht viel Geld gewesen sei, so sei dies doch besser als gar nichts.

Europäische Freien-Angebote

Auf der Tagung in Wien tauschten sich die Vertreter der Journalistenverbände auch über erfolgreiche Aktionen und Angebote für freie Journalisten aus. Viele Vertreter berichteten über die Ausweitung von Serviceangeboten, die bei der Vermarktung oder Ausbildung helfen. Dazu gehört mitunter auch ein extra Honorarkalkulator, der online zu finden ist. Darüber hinaus wurde aber auch verhaltene Kritik an einer "Service-Mentalität" in den Organisationen geäußert. Es werde zunehmend erwartet, dass die Journalistenverbände zu "liefern" hätten. Eigenes Engagement in den Betrieben oder auch im verband dagegen sei keinesfalls Selbstverständlichkeit.

Unternehmertum allein keine Lösung

Unternehmertum allein hilft auch nicht: Einige Teilnehmer äußerten Kritik an der sozialen Lage der Freien. So sehr man unternehmerisches Denken propagieren müsse, so wenig könne es als Allheilmittel gegen die desaströse Honorarpolitik von Verlagen und mangelnde Zahlungsbereitschaft des Publikums helfen. Nach wie vor müssten die Journalistenverbände für angemessene soziale Rahmenbedingungen der freien Tätigkeit streiten, hier seien gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich.

Freie Journalisten sind keine Journalisten - in Weißrussland


Ganz am Anfang stehen die Freien dagegen noch in Weißrussland. Hier sind freie Journalisten von der Regierung nicht einmal als Journalisten anerkannt, weil nur Angestellte dazu zählen. Der Vertreter des weißrussischen Journalistenverbandes hofft hier auf Unterstützung der übrigen europäischen Verbände. Ein kleiner Lichtblick: Erstmals wurde ein Vertreter des Verbandes zu einer Fernseh-Talkshow eingeladen, in der es um Selbständige gehen sollte. Bisher ist allerdings noch nicht bekannt, ob die Talkshow auch ausgestrahlt wurde.

Debatte geht weiter

Von ausgefeilten Geschäftsmodellen bis hin zum gesellschaftlichen Akzeptanzproblem, die Tagung in Wien zeigte, wie vielfältig die Beschäftigungssituation der Freien in Europa ist. Die verschiedenen Diskussionsfäden sollen jetzt vom Freien-Arbeitskreis (Freelance Rights Expert Group) der Europäischen Journalisten-Föderation fortgesponnen werden. Dazu soll auch ein Webinar mit Tim Dawson von Newmodeljournalism.com zählen, das derzeit für den 10. Juni geplant ist.


Michael Hirschler,  hir@djv.de (@freie)




News für Freie

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Die Rundmail

08.01.13

Eine Rundmail an die Autoren des Reise Journals stellte klar: Ohne zusätzliches Honorar können die Beiträge innerhalb der WAZ-Gruppe weiter verwertet werden.

Steuertipps

Update zur Steuerbroschüre

08.01.13

DJV-Expertin Gerda Theile hat ein Update für die "Steuertipps für Journalisten" erstellt.

Urteil

Personalrat beim Saarländischen Rundfunk hat Mitbestimmungsrecht bei Freien

04.01.13

Mehr Rechte für Freie. Auch für sie kann jetzt im Fall von Einschränkungen der Personalrat tätig werden. Dafür sorgt jetzt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

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Schutz für Journalisten, Madsack, Horizont, dapd etc.

04.01.13

121 tote Kollegen mahnen - DJV fordert UN zum Handeln auf | ZDF und ARD bei Dezemberquoten an der Spitze | Madsack führt Töchter zusammen | Silberstreif am Horizont für Impulse | dapd schließt überraschend Frankfurter Büro |...

Urheberrecht

Eigentumsverlust durch "Ersitzung"? Britsche freie Journalisten kritisieren Camerons Pläne zum Urheberrecht

03.01.13

Die Regierung Cameron redet so, als wäre sie persönlich mit Google-Mitarbeitern befreundet. Was zufälligerweise auch der Fall ist.

Auskunftsrechte

Ministerium muss umgehend Auskunft über Zahlungen an Rechtsanwälte geben

02.01.13

Das Landespressegesetz als Auskunfts-Turbo: Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden

Weiterbildung

Neue Webinare Anfang 2013

26.12.12

Weiterbildung geht beim DJV (auch) online. Die nächsten Termine.

Weiterbildung

Webinar-Aufzeichnungen im Intranet

21.12.12

Webinar verpasst? Kein Problem.

Steuer

Sicherheitszertifikat für Umsatzsteuervoranmeldungen ab 2013

21.12.12

Alles online, alles sicher: Das Finanzamt macht´s nur noch mit Zertifikaten.

DJV-news 281

Weihnachtsbrief, dapd, Tagesschau etc.

21.12.12

Weihnachtsbrief: Konken macht Journalisten Mut | Werbung leicht angewachsen | dapd macht mit neuem Eigentümer weiter | Bonner General-Anzeiger bleibt in Berlin | DJV gratuliert Tagesschau zum 60. Geburtstag | Lokalfunk NRW:...

journalist.de

Mit dem Arbeitszimmer Steuern sparen

18.12.12

Freie Journalisten können ihr Arbeitszimmer von der Steuer absetzen. DJV-Freien-Experte Michael Hirschler erklärt, an welchen Stellen es beim Fiskus hapern kann.

Minijobs

450-Euro-Grenze gilt auch für Erwerbsunfähigkeitsrentner

17.12.12

Die Grenze für den Hinzuverdienst steigt. Auch für Erwerbsunfähigkeitsrentner.

News 757 bis 768 von 858

Schon gewusst? Der DJV erteilt nicht nur kostenlose Rechtsberatung für Mitglieder, sondern auch kostenlosen Rechtsschutz in Berufsfragen. Für mehrere hunderttausend Euro im Jahr. Rechtsschutz - ein Angebot, das viele andere Verbände nicht bieten.

Auch vor den Sozialgerichten für Freie unterwegs ist der DJV. Foto: Hirschler

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