Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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USA

Parodie des Urheberrechts: Autorenvereinigung wirft Google weiterhin Urheberrechtsverletzungen vor

19.10.2015

US-Vereinigung verliert vor Berufungsgericht, plant Revision vor dem Supreme Court


Die US-amerikanische Autorenvereinigung Authors Guild will weiter gegen Google vorgehen und plant den Gang zum höchsten US-Gericht, dem Supreme Court. Die Vereinigung, in der vor allem Schriftsteller organisiert sind, wirft Google vor, Bücher ihrer Mitglieder ohne ihr Einverständnis digitalisiert zu haben und im Netz anzubieten.
 
Über den Service Google Books ist es möglich, Auszüge oder auch ganze Bücher kostenlos oder gegen Entgelt zu lesen oder herunterzuladen. Im konkreten Fall hatte die Autorenvereinigung Google wegen unerlaubter Digitalisierung, der Speicherung vollständiger Bücher auf den Google-Servern und der öffentlichen Bereitstellung von Auszügen aus den digitalisierten Büchern angegriffen. Google hatte zudem solchen Einrichtungen (vor allem Universitätsbibliotheken), bei denen sie die Bücher digitalisiert hatte, digitale Vollkopien der Bücher zur Verfügung gestellt. Auch hierfür lag keine Genehmigung der Autoren vor.

Die Urhebervereinigung hatte unter anderem geltend gemacht, dass den Autoren durch die kostenlose Bereitstellung von Auszügen Lizenzeinnahmen entgehen würden, die normalerweise für solche Nutzungen zu zahlen seien. In jedem Fall müsse Google hierfür eine angemessene Lizenzgebühr zahlen. Mit einer so genannten Sammelklage hatte sie seit dem Jahr 2005 sowohl Mitglieder als auch sonstige Autoren vertreten.

In einem Vergleichsvorschlag war Google schließlich zu einer einmaligen Zahlung von nur 60 Dollar pro digitalisierten Buch bereit gewesen, in einem Gesamtplan mit einem Volumen von 125 Millionen Dollar. Dieser Vorschlag, der zunächst von der finanziell erschöpften Authors Guild akzeptiert worden war, war allerdings auf Protest von anderen Teilnehmern der Sammelklage im Jahr 2011 gerichtlich gekippt worden. Diese hatten den Betrag von 60 Dollar angesichts des erheblich höheren Marktwerts ihrer Buchwerke für viel zu gering gehalten. Andere, darunter auch das US-Justizministerium, hatten ein de-facto-Monopol von Google über den digitalen Buchmarkt als Gefahr geltend gemacht. Die Fortsetzung des Verfahrens hatte dann im Jahr 2013 mit einer Niederlage für die Urhebervereinigung vorläufig geendet, sie legte daraufhin Berufung ein.

Mittlerweile soll laut Authors Guild Google über 20 Millionen Bücher digitalisiert haben, von denen 4 Millionen noch urheberrechtlich geschützt sein sollen.

Aktueller Anlass für die Ankündigung der Vereinigung ist die erneute Niederlage gegenüber Google, diesmal vor einem Berufsgericht. Das Gericht vertrat in dem am 16. Oktober 2015 veröffentlichten Urteil die Ansicht, die Nutzung der Bücher sei besonders "transformativ", stelle also im Prinzip eine ganz neue Nutzungsform von Büchern da. Da eine Parodie eines an sich urheberrechtlich geschützten Werkes zulässig sei, könnte das auch das Angebot von Google gelten. Das Gericht meinte hierzu, dass die Möglichkeit, die Bücher für Datamining und andere Projekte durchsuchen zu können, ganz neue Formen des Werks darstellten. Darauf, dass es Datenbanktechnik und Textdatenbanken schon seit Jahrzehnten gibt, ging das Gericht nur am Rande ein. In jedem Fall sei der Service von Google ganz anders ausgerichtet als solche Dienste, heißt es im Urteil.

Da diese Nutzungen auch nicht das bisherige Geschäftsmodell des Verkaufs von (ganzen) Büchern in Frage stelle, handele es sich bei der Nutzung um "fairen Gebrauch". Der "faire Gebrauch" ist nach dem US-Recht weder von einer Genehmigung des Urhebers abhängig noch fordert er die Zahlung einer angemessenen Vergütung.

Das Gericht betonte dabei, dass es keine Rolle spiele, dass Google ein kommerzielles Unternehmen sei, also Gewinn mit dem Vorhaben erzielen wolle.

Die Möglichkeit, dass die volldigitalisierten Bücher durch Hacker in die falschen Hände geraten könnten und auch aus diesem Grunde verboten werden müssten, hielt das Gericht für unwahrscheinlich, da Google hierfür ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen hätte. Auch die Weitergabe der digitalisierten Bücher an die kooperierenden Universitätsbibliotheken sei zulässig gewesen, weil Google dabei darauf hingewiesen hätte, dass diese das Urheberrecht zu beachten hätten.

Kurz: Das Berufungsgericht bestätigte die Auffassung des vorherigen Gerichts, dass den Autoren keinerlei Zahlungsanspruch zusteht.

Nach einer Untersuchung der Authors Guild verdienen ihre Mitglieder nur in der Gruppe der über 40jährigen durchschnittlich rund 23.000 Dollar im Jahr, also rund 20.000 Euro. Die übrigen Altersgruppen kommen gerade mal auf um die 10.000 Dollar, also rund 9.000 Euro. Die Firma Google erlöste dagegen allein im 3. Quartal 2015 einen Gewinn von 2,81 Milliarden Dollar.

Für die Autorenvereinigung bedeutet die erneute Niederlage zudem vermutlich eine weitere schwere finanzielle Belastung, da höchstwahrscheinlich enorme Verfahrens- und Anwaltskosten auf sie zukommen, auch wenn es bisher keine entsprechenden Aussagen der Vereinigung gibt. Schon wegen der Verfahrenskosten, die im Falle einer endgültigen Niederlage vom Verlierer zu zahlen wären, erscheint der Versuch einer Revision vor dem Supreme Court geradezu zwingend notwendig. Es mag freilich sein, dass Google nunmehr im Sinne einer PR-Maßnahme zumindest auf die Geltendmachung der eigenen Anwaltskosten gegenüber dem Verlierer verzichtet und die Bedingungen des ursprünglichen Vergleichs wieder anbietet. Sicher ist das allerdings nicht.

Das Urteil kann auf die deutsche Rechtswirklichkeit nicht direkt übertragen werden. So hat Google nach bisherigem Kenntnisstand auf eine entsprechende ungenehmigte Digitalisierung von Werken in Deutschland verzichtet. Zwar könnte Google auch hier versuchen, eine "freie Benutzung" der Werke von Autoren geltend zu machen, die nach § 24 Urheberrechtsgesetz beispielsweise bei Parodien möglich ist. Ob ein deutsches Gericht allerdings die Parallele zwischen Parodien und Datenbanktechnik ziehen, wie es das US-Gericht getan hat, erscheint derzeit noch als relativ unwahrscheinlich.

Viel wahrscheinlicher ist, dass Google sich eines Tages, sofern die Firma auch in Deutschland ungefragt Bücher digitalisiert, auf ein - allerdings zur Zeit noch nicht beschlossenes - Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und der EU berufen könnte, wenn sein Geschäftsmodell in Deutschland attackiert werden würde. Unter dem Stichwort "TTIP - Transatlantic Trade and Investment Partnership" wird darüber gerade in der Politik verhandelt. Es könnte solche Gesetze oder Gerichtsentscheidungen anfechtbar machen, die dem jeweiligen Investor – z. B. Google – die Ausübung seines Geschäftsbetriebs erschweren.

Michael Hirschler, hir@djv.de



Fair Use - die Regelung im US-Recht im Wortlaut:

107 Beschränkungen der ausschließlichen Rechte von Urhebern

(…) Der faire Gebrauch eines urheberrechtlich geschützten Werks, einschließlich einer Reproduktion durch Kopien oder Schallplatten oder jedem anderen Mittel (…) ist erlaubt für Zwecke wie die der Kritik, des Kommentars, der Berichterstattung, zur Lehre (einschließlich von mehrfachen Kopien zum Unterricht) oder zur Forschung ist keine Verletzung des Urheberrechts. Zur Klärung der Frage, ob der Gebrauch, der von einem Werk gemacht wird, fair ist, sollen folgende Faktoren berücksichtigt werden

(1) der Zweck und der Charakter der Nutzung, einschließlich der Frage ob der Gebrauch für gewerbliche oder nicht dem Erwerb dienende Lehrzwecke erfolgt;

(2) das Wesen des urheberrechtlich geschützten Werks;

(3) die Menge und der Wesensgehalt des Teils, der genutzt wurde im Verhältnis zum urheberrechtlich geschützten Werk als Ganzes; und

(4) der Effekt der Nutzung auf den potenziellen Markt für das urheberrechtlich geschützte Werk bzw. seinen Wert.

Der Umstand, dass ein Werk unveröffentlicht ist soll eine positive Entscheidung für einen fairen Gebrauch nicht verhindern, wenn diese positive Entscheidung unter Berücksichtigung aller oben genannten Faktoren gefallen ist.

(Übersetzung M.H.)

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