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Pflicht zum angemessenen Honorar im Urheberrecht ist verfassungsgemäß - Analyse
Eine Ohrfeige für die Medienwirtschaft und neuer Schwung für Vergütungsregeln
Der im Urheberrechtsgesetz festgeschriebene Anspruch von Urhebern auf angemessenes Honorar ist verfassungsgemäß, hat das Bundesverfassungsgericht jetzt in einem Beschluss entschieden. Im konkreten Fall war ein Verlag zu Nachzahlungen an den Übersetzer eines belletristischen Werks verurteilt worden. Grundlage für das Urteil war der Anspruch auf angemessenes Honorar aus § 32 Urhebervertragsgesetz. Er macht es Urhebern möglich, trotz eines anderslautenden Vertrags auf Zahlung weiterer Vergütungen zu klagen, wenn das Ausgangshonorar als unangemessen anzusehen ist.
Formaljuristisch handelt es sich dabei nicht um eine Nachzahlungsklage, sondern auf eine Klage auf "Anpassung des Vertrags" in der geforderten Höhe, woraus dann erst der Zahlungsanspruch entsteht.
Der Verlag erhob gegen das Urteil, das auch vom Bundesgerichtshof als höchstem deutschem Zivilgericht bestätigt wurde, vor dem Bundesverfassungsgericht Klage und machte die Verletzung des Grundrechts auf Berufsfreiheit geltend. Das Bundesverfassungsgericht sah in den Regelungen der Paragraphen 32 und auch 36 des Urhebervertragsgesetzes allerdings eine zulässige Einschränkung der Berufsfreiheit. Der Gesetzgeber könne das Grundrecht durch Gesetzesrecht begrenzen, "um sozialen oder wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken".
Das Bundesverfassungsgericht befand, der deutsche Gesetzgeber sei "in nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass die angemessene Beteiligung der Urheber am wirtschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit und Werke nur teilweise gewährleistet ist. § 32 Urheberrechtsgesetz soll insbesondere Urhebern mit schwacher Verhandlungsposition und niedrigen Einkommen helfen, ihr Urheberrecht auch wirtschaftlich zu realisieren. Die Regelung der gerichtlichen Angemessenheitsprüfung von Urhebervergütungen bringt die Grundrechte der Betroffenen zu einem angemessenen Ausgleich."
So nehme § 32 Urheberrechtsgesetz den Verwertern nicht jeglichen Verhandlungsspielraum hinsichtlich Höhe und Modalitäten der Urhebervergütung, sondern schließe lediglich die Vereinbarung einer unangemessen niedrigen Vergütung aus. Der Schutz der Verwerter vor unberechtigter Geltendmachung werde dadurch bewirkt, dass es dem Urheber obliege, die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Korrektur des Vertrags darzulegen und zu beweisen.
Das Verfassungsgericht verwies auch auf die gesetzliche Möglichkeit von Verwertern, mit den Verbänden der Urheber gemeinsame Vergütungsregeln im Sinne von § 36 Urheberrechtsgesetz aufstellen zu können, deren Angemessenheit in gerichtlichen Verfahren unwiderleglich vermutet wird. Diese Regelung trage den Interessen der Verwerter Rechnung.
Das Urteil ist in vielerlei Hinsicht für freie Journalisten als sehr positiv zu bewerten. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass Urheber durch die Verwerter wirtschaftlich benachteiligt werden - eine klare Ohrfeige für die Medienwirtschaft. Zum anderen aber hat es deutlich gemacht, dass die Vereinbarung von Vergütungsregeln mit den Verbänden der Urheber eine Hausausgabe für alle Verwerter von urheberrechtlichen Leistungen ist. Denn nur dadurch können sie eine verlässliche Kalkulationsgrundlage gewinnen.
Der DJV hatte im Jahr 2010 nach langjährigen Verhandlungen Vergütungsregeln für Texte in Tageszeitungen mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger abschließen können, Anfang 2013 folgten Vergütungsregeln für Bilder in Tageszeitungen. Über Vergütungsregeln an Zeitschriften wird dagegen immer noch verhandelt, der nächste Verhandlungstermin ist im Dezember 2013. In anderen Medienbereichen wie dem Privatfunk oder bei Nachrichten- oder Bildagenturen stehen Vergütungsregeln noch aus. An Rundfunkanstalten wiederum bestehen in der Regel Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen mit ausführlichen Regelungen zum Urheberrecht.
Ein Problem der Vergütungsregeln bleibt jedoch die tatsächliche Umsetzung. Die 2010 und 2013 gefundenen Regelungen für Tageszeitungen werden in vielen deutschen Zeitungen nicht umgesetzt. Daher kommt es immer wieder zu Klagen, die wie im aktuellen Fall des Übersetzers die Vertragsanpassung und Nachzahlung geltend machen. Hier hatten freie Journalisten im Sommer 2013 mit Hilfe des DJV-Landesverbandes Nordrhein-Westfallen bei zwei Zeitungen 10.000 Euro bzw. rund 40.000 Euro an Zahlungen erreichen können. Der DJV plant eine langfristige Kampagne, mit der das Recht auf angemessene Vergütung und die Umsetzung der Vergütungsregeln an Tageszeitung erreicht werden soll. Mittelfristig ist es Absicht, Vergütungsregeln in allen Medienbereichen zu etablieren. Wie das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt, gibt es dafür jetzt sogar verfassungsgerichtlichen Schwung.
Der DJV fordert außerdem aktuell die Einführung eines Verbandsklagerechts, mit der die Umsetzung von Vergütungsregeln an einzelnen Medienhäusern erreicht werden kann.
Michael Hirschler, hir@djv.de, @freie
Entscheidung: BVerfG, 1 BvR 1842/11 vom 23.10.2013, Absatz-Nr. (1 - 115), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20131023_1bvr184211.html
http://www.twitter.com/freie
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