News für Freie
„Worten müssen Taten folgen!“
10 Jahre sind es nun, seit der „UN Plan of Action on the Safety of Journalists and the Issue of Impunity“ ins Leben gerufen wurde. 10 Jahre, in denen etwas passiert ist, aber noch viel zu wenig. In zehn Jahren kamen nicht nur viele Journalist:innen ums Leben oder attackiert, sondern auch die Straffreiheit der Täter ist immer noch ein immenses Problem. Der Ukraine-Krieg, die Pandemie, die großen Online-Plattformen haben dafür gesorgt, dass Hass, Anfeindungen und Gewalt verschiedenster Art tagtäglich geschehen. Die Gefahr für Medienschaffende ist fast immer präsent. Nicht nur weit entfernt in Krisengebieten, sondern auch in Europa.
„Wir brauchen einen nationalen Schutzmantel“
Am 3. und 4. November veranstaltete das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Österreichs in Zusammenarbeit mit der UNESCO und dem Office des UN High Commissioner for Human Rights (OHCHR) die Konferenz "Safety of Journalists: Protecting media to protect democracy“. Zwei Tage lang diskutierten in Wien rund 400 Journalist:innen, Vertreter:innen hochrangiger Agenturen und Organisationen und Politiker:innen aus aller Welt über dieses so immens wichtige Thema. Das Ziel: Über das, was in den letzten zehn Jahren bereits erreicht und gelernt wurde zu diskutieren und den UN-Aktionsplan für das nächste Jahrzehnt mit der gemeinsamen Kraft aller Beteiligten zu stärken, zu justieren neu und zu positionieren.
"Wir brauchen einen nationalen Schutzmechanismus für Journalisten. In jedem Land. Wir brauchen Zivilcourage und konkrete Strategien“, fordert Nada al-Nashif, stellvertretende UN-Menschenrechtskommissarin gleich zu Beginn. 75 Journalist:innen sind 2022 allein bis September bei der Ausübung ihres Berufs ums Leben bekommen. „In einer Zeit, in der die Welt unvorhersehbaren Herausforderungen gegenübersteht, brauchen wir Journalist:innen mehr denn je. Um die Fakten zu ermitteln, denen wir gegenüberstehen“, sagt sie weiter.
Genderspezifische Angriffe nehmen enorm zu
Übrigens werden neun von zehn Fällen, in denen Journalist:innen getötet werden, nicht aufgeklärt oder bleiben zumindest unbestraft. Auch dagegen muss dringend mehr getan werden. Da sind sich die Anwesenden einig. Die Online-Bedrohungen, die in den letzten zehn Jahren um ein Vielfaches gestiegen sind, sind selbstverständlich ebenfalls ein Thema. Vor allem genderspezifische Angriffe sind dramatisch in die Höhe gegangen. Das ist auch das Topic eines der verschiedenen Workshops. Was online startet, wird oft zur offline-Gewalt. Die Korrelation ist mittlerweile belegt. In einem weiteren Workshop, der geleitet wird von der Präsidentin der Internationalen Journalisten-Föderation Dominique Pradalie, geht es um Arbeitsbedingungen. Was wir brauchen, ist physikalische, digitale und mentale Sicherheit als fundamentale Voraussetzungen dafür, unsere Arbeit machen zu können.
„Wir müssen schneller reagieren“
In verschiedenen Diskussionen kommt auch immer wieder zur Sprache, wie wichtig es ist, das Thema Sicherheit für Journalist:innen in die Ausbildung von Richter:innen, Staatsanwält:innen und Polizeikräften einfließen zu lassen. UN-Menschenrechtschef Volker Türk betont darüber hinaus die Notwendigkeit, mit Regierungen, Militär und auch den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, um sie dabei zu unterstützen, ihren Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechtsnormen nachzukommen.
„Wir müssen lernen, Gefahren besser vorherzusehen und schneller reagieren. Wir müssen scheinbar unverfängliche Gesetze erkennen und die Ausweitung der Überwachungsinstrumente als Warnzeichen erkennen“, sagt er weiter.
„Gleichgültigkeit ist die tödlichste Waffe“
Eine stärkere Unterstützung für unabhängige Medien und Journalist:innen im Exil fordert schließlich der Friedensnobelpreisträger von 2021, Dmitri Muratow. Er kündigt die Gründung eines Fonds für genau diese Zwecke an, der im Namen seiner 2006 ermordeten Kollegin Anna Politkowskaja errichtet werden soll.
„Gleichgültigkeit ist die tödlichste Waffe“, sagt Melissa Fleming, Leiterin der Hauptabteilung für Globale Kommunikation der Vereinten Nationen. Sie kritisiert das toxische Umfeld von Informationen. „Wenn Journalist:innen attackiert werden, leidet auch die Gesellschaft“, sagt sie weiter.
100 Millionen Dollar für Projekte zur Sicherheit von Journalist:innen
Ein weiteres Resultat der Konferenz: Die Veröffentlichung einer politischen Erklärung, die von 53 Ländern unterzeichnet wurde. Darin eine Verpflichtung zur Verbesserung des Schutzes von Journalist:innen und zur Stärkung der Medienfreiheit. Zu finden ist sie unter bit.ly/3uLkdyo. Hinzu kommt, dass über 40 Staaten zugesagt haben, über 100 Millionen Dollar für Projekte, die diese beiden Vorhaben unterstützen.
Der deutsche politische Vertreter vor Ort ist der Staatsminister im Auswärtigen Amt Dr. Tobias Lindner. Er weist auf die annah-Arendt-Initiative zum Schutz von Journalist:innen hin (https://bit.ly/3j04Wr1) und betont die Wichtigkeit des Fact Checkings und, dass freier Journalismus „entscheidend für das Rückgrat der Demokratie“ ist. IJF-Präsidentin Dominique Pradalie sagt auf dem Abschlusspanel, dass wir uns des Mangels an Sicherheit nun lange bewusst sind und endlich einen Schritt weiter gehen müssen. „Worten müssen Taten folgen“, so ihr Appell. In dem Zusammenhang sei erwähnt, dass die IFJ eine „International convention on the safety and independence of journalists and other media professionals” (https://bit.ly/2FnnzNP) erstellt hat.
Journalismus als Gegenmittel für den Tod von Fakten
Zwei Tage voller wertvoller Beiträge, Gespräche und Erkenntnisse. Mit vielen wichtigen Fazits. Fest steht: In den nächsten zehn Jahren wird es viele weitere Herausforderungen geben. Online-Angriffe, geschlechtsspezifische Attacken, die Bekämpfung der Straflosigkeit und auch die immer noch fehlende Transparenz von Internetplattformen stehen oben auf der Agenda.
„Journalisten decken Themen auf, die andere lieber verborgen halten würden. Sie graben in den tiefsten, dunkelsten Löchern, suchen nach Informationen - und entwirren sie. Sie sind ein Gegenmittel für den Tod von Fakten“, so Volker Türk.
Ein Beitrag von Ute Korinth, freie Journalistin und Vorsitzende des DJV-Fachausschuss Online-Journalismus
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