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Institut der Arbeitsagentur schlägt Befristung von Sozialleistungen für Selbständige vor
„Immer mehr Selbständige müssen aufstocken“, meldeten viele Medien am 4. Dezember nach Bekanntwerden einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Doch gab es wirklich einen Anlass für den katastrophenschwangeren Unterton? Für eine genaue Lektüre der Studie war in den Redaktionen offensichtlich keine Zeit geblieben.
Zunächst einmal geht es beim „Aufstocken“ um eine steuer- und sozialversicherungsfinanzierte Sozialleistung, die Selbständigen helfen soll, wenn sie mit ihrem Einkommen nicht über die Runden kommen. Sie erhalten Subventionen vom Staat, damit sie auf das Grundsicherungsniveau kommen. Dieses Mindesteinkommen ist umgangssprachlich als „Hartz IV“ bekannt. Für Singles ist es bekanntlich recht wenig, während es bei Familien mit vielen Kindern weit oberhalb von 1.000 Euro liegen kann.
Da es sich um einen Rechtsanspruch handelt, kann die Zunahme der Antragsteller auch an vielen anderen Faktoren liegen. Etwa an der zunehmenden Bekanntheit der Möglichkeit, dass Selbständige ihr schmales Honorar aufstocken können oder am starken Zustrom junger Arbeitskräfte in die schlecht vergütete Glitzerwelt von Medien und Kunst, in der (Schein-)Selbständigkeit Legion ist. Die schnelle Schlussfolgerung "Zunahme Aufstocker = Verschlechterung der Situation der Selbständigen" ist daher ziemlich grob gestrickt.
Grund für Zunahme: Mehr Prüfungen von Mini-Honoraren
Die Studie führt die Zunahme der selbständigen Aufstocker vor allem darauf zurück, dass die Arbeitsagenturen das Einkommen von Hartz-IV-Beziehern strenger prüfen als früher. Damit stellen sie auch öfter selbständige Einkünfte fest. Als solche gelten auch schon Einkünfte unter 100 Euro im Monat. Der Zuwachs an Aufstockern rekrutiert sich laut IAB vornehmlich auf diesen Bereich der Mini-Selbständigen, und das allein, weil diese ihre geringen Einkünfte früher geräuschlos vereinnahmen konnten, also als normale Hartz-IV-Bezieher galten. Jetzt werden ihre paar Dutzend Euro angerechnet, und damit gelten sie schon als Aufstocker.
Etwas mehr dauerhafte Bezieher
Die Studie stellt allerdings auch fest, dass unter den Aufstockern ein zunehmender Teil von Personen zu finden ist, der die Zahlungen als feste Größe im Wirtschaftsplan verbucht. Deren Zahl sei jetzt von einem Fünftel auf fast ein Viertel der Bezieher von Aufstockungsleistungen gestiegen. Von diesem Personenkreis wird die Beantragung der Leistungen offensichtlich nicht zum Anlass genommen, das Berufsprofil oder Tätigkeitsfeld zu ändern. Auch diese „Verstetigung“ des Bezugs könnte also einen gewissen Teil der Zunahme der Aufstocker erklären.
Existenzgründer besonders betroffen
Fast die Hälfte der Aufstocker sind Existenzgründer, konstatiert der Bericht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Studie der Gründungszuschuss der Arbeitsagentur noch nicht so zusammengekürzt und auf einen - oft ins Leere laufenden - Ermessensanspruch reduziert wurde. Vermutlich wird die Zahl der Aufstocker unter den Existenzgründer im Jahr 2012 noch einmal deutlich gestiegen sein.
Förderung von Solo-Selbständigen befristen, mit Idiotentest?
Die Autoren der Studie regen Änderungen der Aufstockungsleistungen gegenüber Selbständigen an, die als Einzelunternehmen arbeiten:
„Nicht tragfähige Ein-Personen-Selbstständigkeiten dauerhaft durch die Grundsicherung zu fördern, ist aber insofern fragwürdig, als damit möglicherweise die Situation von Konkurrenten erschwert wird, die sich ohne Zuschüsse über Wasser halten.“
Diese Ansicht der Autoren dürfte durchaus angreifbar sein. Bisher gibt es im Recht der Grundsicherung - außer beim Einstiegsgeld - kaum befristete oder "verbrauchbare" Leistungen. Hier stellt sich die Frage, ob die Autoren ernsthaft eine befristete oder "auslaufende" Grundsicherung bzw. Aufstockungsleistung für allein arbeitende Selbständige vorschlagen wollen. Worauf das hinauslaufen würde, ist relativ klar: Wer Hartz IV „klassisch“ will, müsste jeweils die Selbständigkeit voll aufgeben und sich als „Arbeitssuchender“ der Arbeitsagentur zur Verfügung stellen. Diese hätte - wie jeder weiß, der das Harz-IV-Land kennt - in der Regel aber keine Arbeit. Die Belastung des Bundesetats würde also steigen: Aus einem bisher teilsubventionierten Selbständigen würde ein vollständig alimentierter Arbeitsloser ohne Erwerbsaussicht.
In diese Richtung argumentiert die Studie auch in ihrer Schlussbetrachtung: „Es scheint es jedoch überlegenswert – sofern eine ausreichende Beschäftigungsfähigkeit der Person besteht – zur Aufgabe der Selbstständigkeit zu raten und diese Personen in Aktivierungsbemühungen voll einzubeziehen. Wenn jahrelang an einer Selbstständigkeit festgehalten wird, die keine oder nur marginale Gewinne abwirft, ist zumindest gründlich zu prüfen, was die Betroffenen dazu motiviert.“
Der Selbständigen-Idiotentest der Arbeitsagentur (Fachjargon: „F-DUP“), jetzt auch für Hartz-IV-Bezieher? Die entsprechenden Überlegungen sollten noch einmal genau geprüft werden, bevor sie in den politischen Raum entlassen werden.
Sind subventionierte Selbständige eine Gefahr für den Markt?
Die Annahme der Autoren, dass die dauerhafte Alimentierung einzelner Selbständiger ein Problem für nicht bezuschusste Wettbewerber sei, ist ziemlich gewagt. Bei dieser Idee steht ein recht veraltetes Bild von dem "einen Markt" im Hintergrund, in dem es begrenzte Positionen gibt und jeder zusätzliche Wettbewerb etwas vom Kuchen wegzunehmen droht. Klar, das ungefähr war die Welt im Mittelalter, als es für Selbständige in der Regel eine Zunftordnung gab und Arbeit ohnehin innerhalb der Familien vererbt wurde.
In Wirklichkeit gibt es "den" Markt für Selbständige in einer dynamischen, sich auf und ab entwickelnden modernen Wirtschaft gar nicht; viele Selbständige schaffen sich ihren Markt erst dadurch, dass sie auftreten, denn manche Arbeit würde vielleicht gar nicht in Auftrag gegeben werden, wenn sie nicht aktiv akquiriert hätten.
Selbständige nicht "schlimmer" als Arbeitslose
Wie dem auch sei, eines scheint auf jeden Fall klar zu sein: Warum subventionierte Selbständige, die zumindest einen Teil ihres Einkommens noch durch Arbeit verdienen, negativer zu bewerten sein sollten als Arbeitslose, die gar nichts verdienen und damit den Staat noch stärker belasten, ist vom IAB nicht schlüssig begründet worden.
Michael Hirschler, hir@djv.de
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