News für Freie
Warum das Leipziger Urteil so nachteilhaft für die Presse ist
Das Bundesverwaltungsgericht scheint aus der Zeit gefallen zu sein und entscheidet gegen die Pressefreiheit.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 20. Februar 2013 entschieden, dass Bundesbehörden nicht auf Grundlage eines Landespressegesetzes zu Auskünften verpflichtet werden können. Diese Entscheidung ist deswegen so gravierend, weil das Landespressegesetz der Presse ein ganz besonders starkes Auskunftsrecht gibt: Behörden müssen Auskunftsansprüche der Presse nicht nur kostenlos erfüllen, sondern auch unverzüglich. Wenn es sein muss, kann die Presse - und auch einzelne freie Journalisten - den Auskunftsanspruch „binnen Stunden“ per einstweiliger Anordnung beim Verwaltungsgericht erzwingen.
Demgegenüber sind Ansprüche aus den Informationsfreiheitsgesetzen (Bundes-, Umwelt-, Verbraucherinformationen) im Regelfall kostenpflichtig, und die Behörde kann sich viel Zeit lassen, mindestens einen Monat lang.
Zwar urteilte das Leipziger Gericht zugleich, dass eine Auskunftspflicht des Bundes gegenüber der Presse auch aus der Verfassung folge. Doch diese recht unbefangene Rechtsschöpfung lässt viele Frage offen. Denn weil im Grundgesetz in Wirklichkeit gar nichts zum Thema drin steht, kann jetzt niemand sagen, ob Bundesbehörden diese „Verfassungsauskunft“ kostenlos und unverzüglich zu geben haben. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass sich Bundesbehörden jetzt ebenfalls ins Grundgesetz schauen und anschließend sehr wohl gar nichts zum Thema finden werden. Dann müssen Journalisten zum Gericht, und das wiederum kann bedeuten: Weder kostenlos noch unverzüglich.
Vollkommen unverständlich erscheint, warum sich das Bundesverwaltungsgericht über eine Rechtsprechung hinweg gesetzt hat, die über Jahrzehnte hinweg einen Auskunftsanspruch nach dem Landespressegesetz bejahte. Diese Rechtsprechung ist in vielen Punkten derart ausdifferenziert, dass die Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts für viele Entscheider in Gerichten, aber auch Behörden, wie eine Ohrfeige wirkt: Offenbar waren sie alle, Deutschlands Verwaltungsrichter und Minsterialjuristen zu dumm, um einfach mal auf den Trichter zu kommen, dass sie der Presse gar keine Auskunft geben mussten. Zahllose Urteile, die vollkommen falsch waren. Zahllose Auskünfte von Pressesprechern, die nie hätten erteilt werden müssen.
Nur ein einziger, einer hatte es schon vor Jahren begriffen, nur einer unter Deutschlands Verwaltungsjuristen hat das Bundesrecht wirklich verstanden: Jan Hecker, einer der Richter des entscheidenden Senats, hatte vorher zwölf Jahre im Bundesinnenministerium gearbeitet und schon 2006 einen juristischen Beitrag veröffentlicht, in dem er das Auskunftsrecht nach dem Landespressegesetz ablehnte. Im konkreten Fall, der in Leipzig entschieden wurde, ging es um seinen ehemaligen Arbeitgeber (von dem er natürlich weiterhin noch Pensionsansprüche hat). Offensichtlich ganz „unbefangen“ von seiner Tätigkeit für das verklagte Ministerium entschied er für das Minsterium und gegen die Presse. Man wird hier schon von einem juristischen Skandal sprechen können. Unbefangenheit sieht anders aus.
Warum es in Deutschland bisher kein „Bundespressegesetz“ gibt, war bisher eigentlich Konsens. Eine zentralistische Pressekontrolle, angesiedelt in der Hauptstadt, hatte es nach den Erfahrungen mit der Pressekontrolle des Reichspresseamtes eigentlich nicht mehr geben sollen. Die Ansiedlung der Pressegesetzes auf Landesebene, föderalistisch, sollte eigentlich für mehr „Checks and Balances“ sorgen. Deswegen war und ist es auch ein gutes Verfahren gewesen, die Zuständigkeit für Presseauskünfte landesrechtlich zu klären.
Im konkreten Fall (Auskunft über die Vergangenheit von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes) ließe sich noch nachtragen, dass es auch Urteile gibt, die Behörden dazu verpflichten, angefragte Informationen erst zusammen zu tragen. Das Argument, man habe zwar Informationen, das alles sei aber zu mühevoll, kann insofern kaum tragen. Jetzt allerdings, wo jahrzehntelange Rechtstradition und Auskunftsrechte erledigt worden sind, wird auch solche Erkenntnis wenig bedeuten. Denn im Grundgesetz steht auch von einer Pflicht vom Zusammenstellen von Informationen nichts.
Natürlich: Der DJV wird im Interesse seiner Mitglieder genau das behaupten (müssen). Dass die Verfassung eben verlange, dass Auskünfte kostenlos, unverzüglich sein müssten und auch, dass Behörden Informationen zusammen zu stellen haben. Aber wie solche Verfahren ausgehen werden, steht offen. Das ist bedauerlich, weil es bisher klare Rechtspositionen gab.
Das Bundesverwaltungsgericht schafft Rechtsunsicherheit. In einer Zeit, in der die Zeichen auf Transparenz, Informationsfreiheit und open data stehen, ist die Entscheidung vollkommen unverständlich.
Es scheint, als sei das Bundesverwaltungsgericht aus der Zeit gefallen.
Michael Hirschler, hir@djv.de
News für Freie
Tipps zu "Corona und die Freien" aktualisiert
Das DJV-Info "Corona und die Freien" informiert über soziale Ansprüche von Freien sowie steuerliche und versicherungsrechtliche Aspekte angesichts der Corona-Krise. Download als PDF unter djv.de
Europäisches Journalismuszentrum bietet mit der "Freelance Assembly" Online-Kurse für Freie an
Am 9. Juni startete die "European Freelance Assembly", ein Projekt des Europäischen Journalismuszentrums in Maastricht, in Kooperation mit der Bill-Gates-Stiftung. Ziel ist es, freien Journalistinnen und Journalisten...
Zahl der zugelassenen Fotojournalistinnen und Fotojournalisten auf acht Personen erhöht
Die DFL hat heute mitgeteilt, dass die Zahl der Fotojournalistinnen und Fotojournalisten in den Stadien von drei auf acht erhöht wird.
Ansprüche auf Verdienstausfall bei Kinderbetreuung wegen Schließungen von KiTas und Schulen verlängert
Geld vom Staat, wenn Kindertageseinrichtungen oder Schulen wegen Corona schließen und die Eltern deswegen nicht arbeiten können, weil es keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit gibt: dieser Anspruch wird in Kürze von sechs auf zehn...
Basketball-Bundesliga schafft jetzt doch einen Pool-Platz für Fotografie
Das Engagement von Fotojournalistinnen und Fotojournalisten in der Basketball-Bundesliga (BBL) hat jetzt zu einem ersten Erfolg geführt: wie die BBL am Sonntag mitteilte, soll es jetzt doch einen Pool-Platz geben, aus dem Freie...
Der kreative Mittelstand fällt aus den Corona-Hilfsprogrammen
Milliarden für die Wirtschaft, darunter auch viel Geld für Selbständige: solche Meldungen hören sich gut an. Die PR-Verantwortlichen der Bundesregierung haben volle Leistung gezeigt. Nicht mehr über zu wenig Geld vom Staat wird...
Senkung des Mehrwertsteuersatzes vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020
Im Rahmen der Maßnahmen der Bundesregierung in der Corona-Krise wird befristet vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 der Mehrwertsteuersatz von 19% auf 16% und von 7% auf 5% gesenkt. Für alle Freien, die umsatzsteuerpflichtig sind,...
Freie brauchen Hilfe
Der Deutsche Journalisten-Verband hat beunruhigende Umfrage-Werte zur wirtschaftlichen Situation der freien Journalistinnen und Journalisten veröffentlicht.
Bundesregierung kündigt neue Hilfen für Selbständige an
Die Bundesregierung hat neue Hilfen für Selbständige angekündigt, die von der Corona-Krise betroffen sind. Auch wird die Corona-Grundsicherung verlängert gewährt. Konkret sind folgende Maßnahmen geplant:Zur Sicherung der...
Aktualisierung der "Tipps für Freie zu Corona"
Das Info "Tipps für Freie zu Corona" ist in einer überarbeiteten Version auf djv.de als PDF abrufbar (Version vom 29. Mai, 2. Ausgabe)
DJV fordert neues Hilfsprogramm
Der Deutsche Journalisten-Verband fordert von der Bundesregierung ein neues Hilfsprogramm für freiberuflich Tätige.
Grundsicherungsantrag Mai noch stellen!
Freie Journalistinnen und Journalisten, die von der Corona-Krise hart getroffen wurden, sollten zum Ende des Monats noch einmal dringend prüfen, ob sie nicht Anspruch auf die Corona-Grundsicherung haben. Der DJV informiert schon...
Schon gewusst?Der DJV bietet freien Journalisten auch online durchgeführte Seminare an. Bei diesen so gennanten "Webinaren" können Freie bei sich im Büro sitzen und Weiterbildung zu vielen Themen abholen - für Mitglieder oft sogar kostenlos oder zu stark vergünstigten Preisen.
Schon gewusst?Der DJV bietet freien Journalisten auch online durchgeführte Seminare an. Bei diesen so gennanten "Webinaren" können Freie bei sich im Büro sitzen und Weiterbildung zu vielen Themen abholen - für Mitglieder oft sogar kostenlos oder zu stark vergünstigten Preisen.
Weitere interessante Themen
Selbstverlag
Ihr eigenes Buch machen, also eBook oder Printexemplar, mit vonjournalisten.de
...mehr
DJV, Verband der Freien
Über 15.000 Freie sind Mitglied im DJV. Warum, steht in unserem Flyer.
...mehr