Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

News für Freie

Auskunftsrechte

Warum das Leipziger Urteil so nachteilhaft für die Presse ist

21.02.2013

Das Bundesverwaltungsgericht scheint aus der Zeit gefallen zu sein und entscheidet gegen die Pressefreiheit.


Das Bundesverwaltungsgericht hat am 20. Februar 2013 entschieden, dass Bundesbehörden nicht auf Grundlage eines Landespressegesetzes zu Auskünften verpflichtet werden können. Diese Entscheidung ist deswegen so gravierend, weil das Landespressegesetz der Presse ein ganz besonders starkes Auskunftsrecht gibt: Behörden müssen Auskunftsansprüche der Presse nicht nur kostenlos erfüllen, sondern auch unverzüglich. Wenn es sein muss, kann die Presse - und auch einzelne freie Journalisten - den Auskunftsanspruch „binnen Stunden“ per einstweiliger Anordnung beim Verwaltungsgericht erzwingen.

Demgegenüber sind Ansprüche aus den Informationsfreiheitsgesetzen (Bundes-, Umwelt-, Verbraucherinformationen) im Regelfall kostenpflichtig, und die Behörde kann sich viel Zeit lassen, mindestens einen Monat lang.

Zwar urteilte das Leipziger Gericht zugleich, dass eine Auskunftspflicht des Bundes gegenüber der Presse auch aus der Verfassung folge. Doch diese recht unbefangene Rechtsschöpfung lässt viele Frage offen. Denn weil im Grundgesetz in Wirklichkeit gar nichts zum Thema drin steht, kann jetzt niemand sagen, ob Bundesbehörden diese „Verfassungsauskunft“ kostenlos und unverzüglich zu geben haben. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass sich Bundesbehörden jetzt ebenfalls ins Grundgesetz schauen und anschließend sehr wohl gar nichts zum Thema finden werden. Dann müssen Journalisten zum Gericht, und das wiederum kann bedeuten: Weder kostenlos noch unverzüglich.

Vollkommen unverständlich erscheint, warum sich das Bundesverwaltungsgericht über eine Rechtsprechung hinweg gesetzt hat, die über Jahrzehnte hinweg einen Auskunftsanspruch nach dem Landespressegesetz bejahte. Diese Rechtsprechung ist in vielen Punkten derart ausdifferenziert, dass die Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichts für viele Entscheider in Gerichten, aber auch Behörden, wie eine Ohrfeige wirkt: Offenbar waren  sie alle, Deutschlands Verwaltungsrichter und Minsterialjuristen zu dumm, um einfach mal auf den Trichter zu kommen, dass sie der Presse gar  keine Auskunft geben mussten. Zahllose Urteile, die vollkommen falsch waren. Zahllose Auskünfte von Pressesprechern, die nie hätten erteilt werden müssen.

Nur ein einziger, einer hatte es schon vor Jahren begriffen, nur einer unter Deutschlands Verwaltungsjuristen hat das Bundesrecht wirklich verstanden: Jan Hecker, einer der Richter des entscheidenden Senats, hatte vorher zwölf Jahre im Bundesinnenministerium gearbeitet und schon 2006 einen juristischen Beitrag veröffentlicht, in dem er das Auskunftsrecht nach dem Landespressegesetz ablehnte. Im konkreten Fall, der in Leipzig entschieden wurde, ging es um seinen ehemaligen Arbeitgeber (von dem er natürlich weiterhin noch Pensionsansprüche hat). Offensichtlich ganz „unbefangen“  von seiner Tätigkeit für das verklagte Ministerium entschied er für das Minsterium und gegen die Presse. Man wird hier schon von einem juristischen Skandal sprechen können. Unbefangenheit sieht anders aus.

Warum es in Deutschland bisher kein „Bundespressegesetz“ gibt, war bisher eigentlich Konsens. Eine zentralistische Pressekontrolle, angesiedelt in der Hauptstadt, hatte es nach den Erfahrungen mit der Pressekontrolle des Reichspresseamtes eigentlich nicht mehr geben sollen. Die Ansiedlung der Pressegesetzes auf Landesebene, föderalistisch, sollte eigentlich für mehr „Checks and Balances“ sorgen. Deswegen war und ist es auch ein gutes Verfahren gewesen, die Zuständigkeit für Presseauskünfte landesrechtlich zu klären.

Im konkreten Fall (Auskunft über die Vergangenheit von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes) ließe sich noch nachtragen, dass es auch Urteile gibt, die Behörden dazu verpflichten, angefragte Informationen erst zusammen zu tragen. Das Argument, man habe zwar Informationen, das alles sei aber zu mühevoll, kann insofern kaum tragen. Jetzt allerdings, wo jahrzehntelange Rechtstradition und Auskunftsrechte erledigt worden sind, wird auch solche Erkenntnis wenig bedeuten. Denn im Grundgesetz steht auch von einer Pflicht vom Zusammenstellen von Informationen nichts.

Natürlich: Der DJV wird im Interesse seiner Mitglieder genau das behaupten (müssen). Dass die Verfassung eben verlange, dass Auskünfte kostenlos, unverzüglich sein müssten und auch, dass Behörden Informationen zusammen zu stellen haben. Aber wie solche Verfahren ausgehen werden, steht offen. Das ist bedauerlich, weil es bisher klare Rechtspositionen gab.

Das Bundesverwaltungsgericht schafft Rechtsunsicherheit. In einer Zeit, in der die Zeichen auf Transparenz, Informationsfreiheit und open data stehen, ist die Entscheidung vollkommen unverständlich.

Es scheint, als sei das Bundesverwaltungsgericht aus der Zeit gefallen.


Michael Hirschler, hir@djv.de


News für Freie

Corona-Krise

Kapitallebensversicherungen werden nicht bei Grundsicherung angerechnet

29.05.20

Viele Freie sind durch die Corona-Krise unter das Existenzminimum gerutscht. Die neue Corona-Grundsicherung soll ihnen dabei helfen. Dadurch werden beispielsweise die vollen Kosten der Mietwohnung oder einer Hypothek für das...

Corona-Krise

Update zu "Freie und Corona"

22.05.20

Eine Aktualisierung des "DJV-Tipps für Freie" (PDF) informiert über Ansprüche von Freien in der Corona-Krise.

Corona-Krise

Alles nur Missbrauch? Beratungsförderung schon wieder eingestellt

22.05.20

Mit voller Beratungsförderung Unternehmen helfen: das war der Plan der Bundesregierung angesichts der Corona-Krise. 100 Prozent der Kosten einer Beratung durch eine beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle anerkannte...

Corona-Krise

Sportfotografie ohne Geschäftsgrundlage?

20.05.20

Kann die Sportfotografie noch funktionieren, wenn Bilder aus Spielen in Pools gespielt werden müssen, aus denen sich jeder Interessierte bedienen kann, ohne weitere Kriterien? Und verstößt der Ausschluss von Bilddatenbanken, die...

Corona-Krise

Fußballfotografie zwischen Wut, Stolz und Verwirrung

20.05.20

Das erste Spielwochenende der Bundesliga unter Corona-Bedingungen ist vorbei, und die Akteure in der Fußballfotografie räumen die Scherben auf. Nur drei Personen durften sich pro Spiel fotografisch betätigen, um gleichzeitig mit...

Corona-Krise

Jagdszenen aus Bayern

19.05.20

Selbständige sind in Bayern jetzt gleich zweimal negativ durch die Corona-Krise betroffen. Erst kam es zum Zusammenbruch der Wirtschaft und damit zum umfassenden Verlust von Aufträgen. Jetzt wird die vom Freistaat daraufhin...

Sportfotografie

Vertrag für Poolfotografie mit grenzwertigen Regeln

17.05.20

Im Fußballsport ist die Zahl der Personen, die fotografisch aus den Stadien berichten dürfen, drastisch eingeschränkt worden. Nur noch drei Journalistinnen und Journalisten dürfen mit der Fotokamera aus dem Spiel berichten, zehn...

Corona-Krise

Infektionsschutzgeld wegen KiTa- und Schulschließungen nur für sechs Wochen, keine Verlängerung?

15.05.20

Seit dem 30. März 2020 gibt es im Infektionsschutzgesetz eine Regelung, die Eltern von Kindern, die wegen Corona-bedingter Schulschließungen die Kinder betreuen müssen, eine Entschädigung bis zu 2.016 Euro im Monat leistet....

Sportfotografie

DFL äußert sich zu DJV-Kritik an geringer Zahl der Fotoplätze

15.05.20

Die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) hat sich gegenüber dem DJV zu Wort gemeldet, nachdem dieser die Liga wegen der drastischen Einschränkungen der Sportfotografie in den Stadien erneut angesprochen hatte. Die DFL lehnt erneut...

Corona-Krise

In Nordrhein-Westfalen dürfen Selbständige jetzt 2.000 Euro von der Soforthilfe für Lebensunterhalt nehmen

13.05.20

In Nordrhein-Westfalen dürfen Selbständige von der Corona-Soforthilfe insgesamt 2.000 Euro für den Lebensunterhalt nutzen. Das gilt nur für solche Selbständigen, die den Antrag auf die Soforthilfe im März oder April gestellt...

Corona-Krise

In Hessen gibt es "Arbeitsstipendien" für freie Journalistinnen und Journalisten

12.05.20

In Hessen soll es ab dem 1. Juni ein "Arbeitsstipendium" in Höhe von einmalig 2.000 Euro geben, das unter anderem auch freie Journalistinnen und Journalisten beantragen können, wenn sie über die...

Corona-Krise

Urteil - Schadensersatz wegen Corona-Schließung abgelehnt

11.05.20

Können Selbständige wegen der Schließungen von Betrieben Schadensersatz aus dem Infektionsschutzgesetz erhalten, wenn nicht speziell ihr Betrieb unter Quarantäne gestellt wird, sondern alle Betriebe geschlossen werden? In einem...

News 169 bis 180 von 858

Schon gewusst?54% der Freien sind weiblich, 96% haben Abitur, 75% einen Hochschulabschluss. Der durchschnittliche Monatsgewinn beträgt 2.180 Euro im Monat. Frauen verdienen 1.895 €, Männer 2.440 €. Quelle: DJV-Umfrage 2014 (djv.de/umfragefreie)

Schon gewusst?54% der Freien sind weiblich, 96% haben Abitur, 75% einen Hochschulabschluss. Der durchschnittliche Monatsgewinn beträgt 2.180 Euro im Monat. Frauen verdienen 1.895 €, Männer 2.440 €. Quelle: DJV-Umfrage 2014 (djv.de/umfragefreie)

Weitere interessante Themen

Newsletter

Cookie Einstellungen