News für Freie
Europäisches Urteil gegen Verlegerbeteiligung an Tantiemen - ein Sieg für die Urheber?
Europa-Urteil mit möglichen Folgen in Deutschland
Grundlage für Tantiemen: Eingriff in das Urheberrecht durch Privatkopien
Grundlage für die Erhebung von Tantiemen durch Verwertungsgesellschaften ist der Eingriff in das Urheberrecht durch das in nationalen Gesetzgebungen geregelte Recht von Nutzern zur "privaten" Nutzung von Werken, für die Urheber keine direkte Vergütung erhalten. So ist die private Kopie von urheberrechtlich geschützten Werken nach § 53 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz zulässig, etwa für einen Verwandten (allerdings nicht für den Verkauf auf dem Flohmarkt, siehe auch andere Beispiele hier).
Der Gerichtshof sprach deutlich aus, dass Urheber einen Anspruch darauf haben, dass der Schaden, den sie durch die kostenlose Nutzungsmöglichkeiten im Bereich privater Kopien erleiden, durch eine angemessene Vergütung ausgeglichen werden muss. Die Tantiemen, die von Verwertungsgesellschaften gegenüber den Herstellern von Kopiergeräten und vergleichbaren Produkten erhoben werden, dienen diesem Anspruch auf angemessene Vergütung, so das Gericht. Wohlgemerkt für Urheber, nicht aber für - Verlage. Denn Verlage sind rechtlich gesehen keine Urheber, sondern nur Nutzer.
Keine Rechtsgrundlage für Verlegerbeteiligung
Das Gericht war daher der Ansicht, dass es im Europarecht keine Rechtsgrundlage für eine Beteiligung der Verleger an den Abgaben gebe. Daraus folge, dass die nationale Gesetzgebung keine andere Regelung treffen könne. Eine solche nationale Regelung könne allenfalls dann zulässig sein, wenn die an die Verlage fließende Beteiligung am Ende wieder beim Urheber lande.
Für Deutschland ist das Urteil deswegen brisant, weil es hier eine Regelung im § 63a Urheberrechtsgesetz gibt, nach der die Verleger an den Tantiemen partizipieren können. Wäre die Rechtsprechung des Gerichtshofs hier anwendbar, würden Tantiemen ausschließlich den Urhebern zustehen. Hinzu kommt das - aktuell mit Blick auf die Entscheidung des EuGH ausgesetzte - Verfahren eines Autoren vor dem Bundesgerichtshof, der zuletzt vor dem Oberlandesgericht München ein Urteil erreicht hatte, nachdem sich eine Beteiligung der Verlage danach richtet, ob die Verwertungsrechte zuerst der Verwertungsgesellschaft oder dem Verlag eingeräumt wurden. Dieses Urteil hatte die Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften in Frage gestellt, da sie danach jeden einzelnen Vertrag der vielen bei ihnen organisierten Urheber prüfen müssten. Hätten Verlage überhaupt kein Recht auf Beteiligung, würde zwar dieses Urteil aufzuheben sein, andererseits müssten die Verwertungsgesellschaften ihre Ausschüttungsregeln vermutlich erst recht ändern.
Beteiligen deutsche Verlage Urheber indirekt?
Die Verlage könnten freilich - in Anwendung der Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs - geltend machen, dass die an sie gezahlten Anteile an den Tantiemen am Ende doch den Urheber zu gute kommen. So finanzieren beispielsweise die Zeitungsverleger ihre Weiterbildungsinstitution, die ABZV, ihren Aussagen zufolge durch die Einnahmen aus den Tantiemen. Ob Entsprechendes allerdings vollumfänglich und für alle Akteure im Bereich der Verlage zutrifft, dürfte zweifelhaft sein. Genaues kann hierzu allerdings an dieser Stelle auch nicht gesagt werden. Vermutlich wird es so sein, dass jedenfalls derzeit die Zahlungen aus den Verwertungsgesellschaften nicht in toto bei den Urhebern landen.
Sprudelt jetzt das Geld für Urheber?
Die Anwendbarkeit des Urteils auf Deutschland angenommen, bedeutet das Urteil unter Umständen, dass jetzt das Geld in den Kassen der Urheber sprudelt? Zunächst einmal muss klar sein - im Grunde war das Urteil kein Sieg von Urhebern gegen Verwertungsgesellschaften, sondern von Abgabeverpflichteten gegenüber Verwertungsgesellschaften. Diese haben den Verwertungsgesellschaften durch die neuen Kriterien die Arbeit schwerer gemacht und sich selbst Abgaben erspart, da diese bislang auf unzulässige Weise erhoben wurden. Dass die Urheber vielleicht irgendwie - langfristig - durch die Grundsätze des Urteils profitieren können, war weder von den Abgabeverpflichteten beabsichtigt noch gilt das kurzfristig. Denn zunächst einmal muss die betroffene Verwertungsgesellschaft in Belgien mit Rückforderungen von Abgabeverpflichteten rechnen, damit werden die bei ihr organisierten Urheber weniger Tantiemen erhalten können.
Zudem sind noch einige Fragen offen, insbesondere, ob die bisherigen Verlagsanteile an den Tantiemen überhaupt eins zu eins auf die Urheber übergehen. Hier ist nicht unwahrscheinlich, dass die abgabeverpflichteten Unternehmen, also die Importeure und/oder Hersteller von Geräten, versuchen werden, mit dem Fingerzeig auf die Änderung der Rechtslage die Höhe der Vergütungen anzufechten, nicht nur für die Zukunft, sondern gerade auch für die Vergangenheit. Langjähriger Rechtsstreit wäre damit vorprogrammiert, mit eventuellen Rückstellungen der Verwertungsgesellschaften für Rückforderungen von Abgabeverpflichteten.
Bisheriges Abgabesystem überhaupt zulässig?
Der Gerichtshof widmete sich in seiner Entscheidung auch der Frage, ob ein Abgabesystem von Verwertungsgesellschaften zulässig ist, wenn es Pauschalabgaben vorsieht und diese zugleich mit einem System kombiniert, bei dem Abgaben auch nach der Frequenz der Nutzungen erhoben werden. Hier lautete die Entscheidung: Abgabensysteme pauschaler oder frequenzabhängiger Art sind nur zulässig, unter Umständen auch in kombinierter Form, solange die Tarife auch berücksichtigen, welche konkreten Nutzungen mit den Geräten stattzufinden pflegen. Die Abgabe müssten demzufolge wohl unterschiedlich ausfallen, wenn auf ein Gerät typischerweise vermehrte private Nutzungen stattfinden. Auch diese Entscheidung des Gerichtshofs könnte die Abgabeverpflichteten dazu bewegen, erneut in langjährige Auseinandersetzungen mit den Verwertungsgesellschaften einzutreten und/oder für bestimmte Geräte deutlich weniger als bisher zu zahlen.
Konsequenzen noch offen
Das Urteil wird derzeit von allen Seiten intensiv analysiert, so dass zum weiteren Szenario nur wenig gesagt werden kann. Relativ sicher dürfte sein, dass keinesfalls gesagt werden kann, dass mit dem Urteil automatisch mehr Einnahmen für Urheber kommen. Es kann gleich bleiben, es kann aber auch auf Grund der weiteren Aussagen des Gerichtshof sowie anschließenden rechtlichen Verfahren sogar weniger sein. Es handelt sich zunächst einmal um einen Sieg der Abgabeverpflichteten über die Verwertungsgesellschaften. Ob langfristig ein Sieg der Urheber daraus wird, wäre eine recht optimistische Version, vor allem auch, weil es den Abgabeverpflichteten in den weiteren Punkten der Entscheidung auch gelungen ist, die Kriterien für das Abrechnungssystem von Abgaben zu verkomplizieren und bestimmte Nutzergruppen aus der Abgabepflicht herauszunehmen.
Michael Hirschler, hir@djv.de
News für Freie
Für die Freien bleibt die Lage dramatisch, zeigt neue Umfrage
Haben die Lockerungen der Corona-Maßnahmen nicht auch zu einer neuen Konjunktur in den Medien geführt? Diese Vermutung war in den letzten Wochen immer mal wieder zu hören. Eine neue Umfrage bestätigt allerdings die Befürchtungen...
Seehofer ohne Expertise
Als Bundesinnenminister Horst Seehofer von einer Strafanzeige gegen die taz fabulierte, wusste er noch gar nicht, ob das rechtlich überhaupt möglich ist. Das fand jetzt der Tagesspiegel heraus, nachdem er diese Information...
Keine Polizeischikanen gegen Reporter
Der Deutsche Journalisten-Verband fordert das Auswärtige Amt auf, sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit Nachdruck für die freie Berichterstattung aus Moria auf der griechischen Insel Lesbos einzusetzen.
Bei Fernsehproduktionen dürfen nur sendereigene Beauftragte fotografieren
Kein Zugang für externe Fotografinnen und Fotografen zu einer Produktion für das ZDF. Grund angeblich: "Corona". Gleichzeitig können aber zahlreiche Zuschauer bei der Produktion dabei sein. Das gilt offenbar bei "Willkommen bei...
Koalition am Zug
Der Deutsche Journalisten-Verband erinnert die Regierungskoalition in Berlin an ihr Vorhaben, endlich ein Auskunftsrecht für Medien gegenüber Bundesbehörden gesetzlich zu verankern.
Corona-Grundsicherung bis Ende Dezember verlängert
DIe Regelungen zum erleichterten Zugang zur Grundsicherung soll bis Ende Dezember 2020 verlängert werden. Ein entsprechender Referentenentwurf wurde am 9. September 2020 auf den Seiten des zuständigen Bundesministeriums...
Warnstreiks ausgeweitet
Der Deutsche Journalisten-Verband ruft jetzt auch die Beschäftigten der Deutschen Welle in Bonn zum Warnstreik auf.
Warum laufen Sie von Minsk nach Magdeburg, Frau Weber?
Ingrid Weber ist 70 Jahre, war 46 Jahre lang als Journalistin aktiv und läuft ab 28. September gemeinsam im Lauf "von Minsk nach Magdeburg", mit dem "DJV-Jahr der Freien". Warum ist sie dabei? DJV: Sie haben sich als eine...
Nennung der Urheberinnen und Urheber jetzt in Google-Suche möglich
Wer Bilder produziert, dessen Urheberrechte werden im Internet jetzt ein Stück weiter besser geschützt oder zumindest klarer gekennzeichnet. Die Suchmaschine Google will digitale Informationen zum Urheberrecht, die in den...
Sportfotografie wartet auf Entscheidungen der Politik
Wie geht es weiter mit der Sportfotografie im Fußball in der kommenden Saison? Seitens der Deutschen Fußball-Liga gibt es das Konzept der „Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb“. Danach gilt: In der "Teamzone" soll es bei...
Grüne fordern Nachbesserungen bei Hilfen des Bundes
Die Fraktion der Grünen im Bundestag fordert Nachbesserungen bei den Überbrückungshilfen des Bundes. "Die Überbrückungshilfen der Bundesregierung werden nur zögerlich beantragt. Der Grund dafür: die Hürden sind zu hoch. Zudem...
Jetzt geht es einen Monat in die "DJV-Energietankstelle"!
Fühlen Sie sich etwas ausgebrannt? Jetzt gibt es die "Energie-Tankstelle für Journalistinnen und Journalisten": Einen Monat lang per Internet-Training: Neue Kraft schöpfen und den Körper in Bewegung bringen. Dazu gibt es...
Schon gewusst?54% der Freien sind weiblich, 96% haben Abitur, 75% einen Hochschulabschluss. Der durchschnittliche Monatsgewinn beträgt 2.180 Euro im Monat. Frauen verdienen 1.895 €, Männer 2.440 €. Quelle: DJV-Umfrage 2014 (djv.de/umfragefreie)
Schon gewusst?54% der Freien sind weiblich, 96% haben Abitur, 75% einen Hochschulabschluss. Der durchschnittliche Monatsgewinn beträgt 2.180 Euro im Monat. Frauen verdienen 1.895 €, Männer 2.440 €. Quelle: DJV-Umfrage 2014 (djv.de/umfragefreie)
freienblog
Status von Selbständigen verbessern - DIE ZEIT lässt diskutieren
Hallo Weltnaturschutzunion, Videoproduzenten arbeiten eher nicht für 11 Euro pro Stunde
Recht auf Vergessen im Alltag
Nur ein neues Käsblatt für die Netzgemeinde?
Weitere interessante Themen
Selbstverlag
Ihr eigenes Buch machen, also eBook oder Printexemplar, mit vonjournalisten.de
...mehr
DJV, Verband der Freien
Über 15.000 Freie sind Mitglied im DJV. Warum, steht in unserem Flyer.
...mehr